St. Georgenberg nahe SchwazDer gläubige Mensch sucht nach Orten, wo er die Nähe Gottes und die Fürsprache verehrter Heiliger erleben kann. Neben den bedeutenden und zeitlich aufwändigen Pilgerfahrten nach Rom (Gräber der Apostel Petrus und Paulus), ins Heilige Land (Wirkungsstätten Jesu) und nach Santiago de Compostela (Grab des Apostels Jakobus des Älteren) entstanden überall in Europa kleinere Wallfahrtsorte, die in wenigen Stunden oder Tagen erreicht werden konnten.

Wallfahren kommt von „wallen“ (umherschweifen), und von „fahren“ (ursprünglich jede Art der Fortbewegung). Zu jeder Wallfahrt gehören Weg und Ziel.

Gnadenmadonna in der Wallfahrtskirche Kaltenbrunn im KaunertalAnlässe für Wallfahrten hat es im Laufe der Geschichte mannigfaltige gegeben: Krieg, persönliche Krankheit, Hungersnot, Naturkatastrophen, Pest, Unwetter etc. Vieles davon ist heute nicht mehr relevant, doch sind neue Anlässe dazugekommen: Suche nach dem Sinn des Lebens, Abkehr von der Hektik und dem Stress des Alltags, Rückbesinnung auf Gott, wirtschaftliche und politische Unsicherheit etc.

Wallfahrtsburg Mariastein nördlich von Wörgl

Die ältesten Tiroler Wallfahrten gehen vermutlich noch auf die Zeit vor 1000 zurück (Kreuzgang nach Säben in Südtirol, Wallfahrt nach St. Georgenberg). Viele der alten Wallfahrten dürften ihren Ursprung in heidnischen Kulten haben (Quellheiligtümer, Fruchtbarkeitssymbole). Ein Großteil der Tiroler Wallfahrten entstand jedoch im Mittelalter.

Am zahlreichsten sind in Tirol die Marienwallfahrtsorte vertreten, wo Statuen oder Bilder der Muttergottes mit dem Jesukind, die Schmerzensmutter (Pietà) und Nachbildungen bedeutender Kultbilder (etwa Kopien des Mariahilfbildes von Lukas Cranach, der Gnadenbilder „Maria Loreto“, „Unsere Liebe Frau vom Guten Rat“, „Maria Schnee“ und „Maria von der immerwährenden Hilfe“) verehrt werden. Als Beispiele seien hier Kaltenbrunn, Absam, Locherboden, St. Georgenberg und Mariastein in Nordtirol sowie Obermauern bei Virgen in Osttirol genannt.

Unter den Heiligen sind vor allem die Viehpatrone St. Leonhard, St. Valentin und St. Silvester zu nennen, aber auch der hl. Antonius. Daneben bestehen auch Christuswallfahrten und Kreuzwallfahrten.

Beinahe jede Gemeinde Tirols hat ihre kleine Pilgerstätte, oft in der Einsamkeit des Waldes oder einer Schlucht verborgen. Die Menschen mussten früher zu Fuß gehen, Gnadenorte sollten möglichst innerhalb einer Tagesreise erreichbar sein.

Votivbild in AbsamWallfahrtskapelle Locherboden nahe Stams im OberinntalIn vielen Wallfahrsorten entstanden im Zusammenhang mit den Bittgängen und Wallfahrten Aufzeichnungen über Gebetserhörungen und Wunder (Mirakel) auf Mirakeltafeln und in Mirakelbüchern. Häufig zeugen auch Votivgaben (Wachs- und Holzmodelle von Gliedmaßen, Tieren, Wickelkindern u. a.) und Votivbilder sowie nach der Heilung nicht mehr benötigte Krücken von Gebetserhörungen und Dankesbezeugungen.

Um zahlreiche Wallfahrtsorte ranken sich Legenden, die den Ursprung der Wallfahrt oder wunderbare Gebetserhörungen zum Inhalt haben. Man kann hier verschiedene Gruppen unterscheiden. Viele Wallfahrten gehen auf wunderbare Erscheinungen und Weisungen zurück. In anderen Legenden wird von gefundenen und verehrten Kultobjekten (Statuen von Heiligen bzw. der Muttergottes, Kreuze etc.) berichtet. Aufgrund von Wundern, welche die Bevölkerung magisch anzogen, wurden Kapellen errichtet. Ein Gnadenbild konnte aus einem Fluss geborgen, im Schutt entdeckt oder auf wundersame Weise irgendwo aufgefunden werden. Weiters konnte von weinenden Marienbildnissen sowie blutenden und schwitzenden Darstellungen des Heilands berichtet werden. Sehr häufig wurden aber auch Kopien von bedeutenden Bildnissen zur Verehrung aufgestellt.