Barocke Künstler aus dem Tiroler Oberland
In der gesamten vorindustriellen Geschichte Tirols herrschte immer wieder Hunger unter der Bevölkerung. Vor allem im Westen des Landes verursachten die schlechten klimatischen Bedingungen, die kleinen Anbauflächen, Missernten, verschiedene Naturkatastrophen sowie die Steilheit des Geländes Hungersnöte und schwierigste Lebensumstände. Nicht zuletzt deshalb waren im Tiroler Oberland lange Zeit Menschen gezwungen auszuwandern. Schon im 17. Jh. zogen Männer nach Bayern oder in die Schweiz und verdienten dort als Holzfäller, Zimmerleute, Maurer, Steinmetze und Hilfsarbeiter ihren Unterhalt.
Da Klima und Landschaft im Oberland beim Bau besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verlangten, brachte die Region zahlreiche äußerst geschickte Bauhandwerker hervor. Die verschiedenen Zünfte kümmerten sich um eine geregelte Ausbildung und Beschäftigung ihrer Mitglieder. Die Zunft in Pettneu umfasste um 1700 etwa 150 Meister und 140 Gesellen. Das spezialisierte Wanderhandwerk war für Generationen eine wichtige Einnahmequelle. Oberländer Bauhandwerker wanderten im März in Gruppen los und kehrten im November wieder zurück. Sie arbeiteten in ganz Süd- und Mitteldeutschland sowie in der Schweiz, in Italien und Frankreich. Gerade nach dem Dreißigjährigen Krieg herrschte in Mitteleuropa ein ungebremster Bauboom. Kapellen, Kirchen, Klöster, Paläste und Stadthäuser entstanden.

Es seien hier nur einige Namen berühmter Oberländer Künstler exemplarisch erwähnt. Jakob Prandtauer (1660–1726) wurde in Stanz bei Landeck geboren, lernte in Schnann das Maurerhandwerk und ließ sich in St. Pölten nieder, wo er auch starb. Sein Meisterwerk ist Stift Melk, aber etwa auch Stift St. Florian und Stift Kremsmünster gehen großteils auf ihn zurück. Er zählt neben Johann Bernhard Fischer von Erlach und Lukas von Hildebrandt zu den drei größten Barockbaumeistern Österreichs. Aus See im Paznaun stammt der Bildschnitzer Andreas Thamasch (1639–1697), der vor allem in Stift Stams, aber auch in anderen Oberländer Orten Altäre und Heiligenfiguren hinterließ. Josef Mungenast (1680–1741) aus Schnann bei Pettneu am Arlberg war ein Neffe Jakob Prandtauers. Als Baumeister hinterließ er in Niederösterreich zahlreiche Spuren: Mitarbeit an den Stiften Zwettl und Dürnstein, Vollendung von Stift Melk sowie Bau der Stiftskirche und eines Teils des Stiftes Altenburg. Der Bildhauer Bernhard Matthias Braun (1684–1738) aus Sautens im Ötztal ließ sich in Prag nieder und schuf zahlreiche Werke in ganz Böhmen im Auftrag von Klöstern und Adeligen. Zwei Figuren auf der Karlsbrücke in Prag stammen von ihm.